Königsklasse III. Kunst beim Kini in Klein-Versailles.

77729_111128Eigentlich bin ich kein großer Freund von zeitgenössischer Kunst, weil mir Vieles zu sehr abstrahiert wird. Da bin ich eher für die Alten Meister. Dort eröffnet sich für mich viel eher ein Gefühl, eine Stimmung oder eine Situation, die der Künstler damit ausdrücken oder fixieren wollten. Aber ich bin ein Freund von außergewöhnlichen Ausstellungskonzepten.

Und daher war es eine Freunde, dass sich mir die Möglichkeit bot die neue Ausstellung „Königsklasse III“ zu besuchen. Diese temporäre Sonderausstellung der Pinakothek der Moderne findet in dieser Art bereits das dritte Jahr in Folge in den unvollendeten Räumlichkeiten des Schloss Herrenchiemsee statt.

Das Schloss Herrenchiemsee spielt für mich als passionierter Operngänger und Wagner-Freund natürlich noch eine weitere gewichtige Rolle. Denn es ist eines der drei „Märchenschlösser“, die König Ludwig II. von Bayern erbauen ließ. Der „Kini“, wie er landläufig auf Bayrisch heißt, war ein Mäzen Richard Wagners. Ohne die Übernahme der bereits bestehenden Schulden und die weitere finanzielle Unterstützung durch Ludwig II. IMG_6737hätte Wagner seine Werke nicht bzw. unter schwierigeren Bedingung komponieren müssen. Ludwig II. übernahm auch die Bürgschaft für den Bau des Festspielhauses auf dem Grünen Hügel (nachdem Richard Wagner sich vorher bereits vergeblich um andere Geldgeber bemüht hatte). Die geplanten Bauten in München selbst scheiterten aufgrund des Druckes der Regierung auf Ludwig II. Die Festspiele in Bayreuth selbst waren anfänglich Verlustgeschäfte. Der Wagner-Clan zahlte bis Anfang 20. Jhd. Kredite an die Wittelsbacher zurück. Und natürlich waren sich beide gegenseitig eine exzentrische Inspiration – es entstand monumentale Musik und Märchenschlösser. Ein kleiner musikhistorischer Exkurs – eine Galerie zu Ludwig II. und Richard Wagner gibt es hier.

Ab 1878 ließ Ludwig II. das Neue Schloss Herrenchiemsee nach dem Vorbild des Schloss Versailles als Verehrung für den „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. erbauen. Die Bauarbeiten endeten mit dem bis heute mysteriösen und unklaren Tod Ludwig II. im Jahre 1886 und auch aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten. In den acht Jahren wurden nach heutigen Maßstäben ca. 350 Mio. Euro verbaut. Bis auf die bereits fertig ausgebauten königlichen Wohn- und Repräsentationsräume blieb der Rest im Stadium des Rohbaus stecken. Einige Impressionen von Schloss und Inseln finden sich hier.

Dieser Umstand des Unfertigen bot nun in einer Kooperation zwischen Pinakothek der Moderne und der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen die Möglichkeit eine Ausstellung an einer Örtlichkeit mit besonderer Wirkung zu installieren. Königsklasse III.

Ich finde dabei zwei Dimensionen sehr spannend: Erstens das Offensichtliche. Offener Backsteinrohbau trifft als Kontrast auf moderne, teilweise sehr bunte oder illuminierte Kunst. Zweitens der historische Kontext. Ludwig II. baute das Schloss zur Verherrlichung und Konservierung der bereits vergangenen absolutistischen Monarchie in Frankreich. Nun findet das Zeitgenössische, das Gegenwärtige, das Moderne dort zeitweise seine Heimat. Auch dies ist ein in der Nutzung liegender Gegensatz.

Diese Gegensätzlichkeit findet sich auch im Herzstück der Ausstellung wieder: im Raum „Gerhard Richter: Brigid Polk“. Dort sind drei von vier Gemälden Richter’s aus dieser Serie zu sehen. Brigid Polk war eine der zentralen Persönlichkeiten aus dem Kreis um Andy Warhol. Corinna Thierolf bezeichnet sie als „Andy Warhols ’schönes Visavis am anderen Ende der Leitung‘ und Enfant terrible der New Yorker High Society“, also als enge Freundin und Vertraute.

Richter hat 1971 vier von Polk in München per Selbstauslöser auf Polaroid gebannte Bilder als Grund- und Vorlage für seine Gemälde genutzt. Die Polaroidkamera war zum damaligen Zeitpunkt eine neuartige Kameratechnik. Heute würde man zu den Aufnahmen wohl „Selfies“ sagen.
Diese mit moderner Technik entstandenen Aufnahmen überführte Richter nach klassischer Gestaltungstechnik abmalend vergrößert mit Öl auf Leinwand. Im Ergebnis entstehen Gemälde, die sich aufgrund einer gewissen Unschärfe dem Realismus der Fotovorlage entziehen. Er rückt die Malerei in den Vordergrund. Hier finde ich für mich also wiederum die Verknüpfung zu den oben genannten Dimensionen der Ausstellungsräumlichkeiten.

Erstmals seit der Entstehung der Gemälde sind in Schloss Herrenchiemsee alle drei in Deutschland in öffentlichem Besitz befindlichen Gemälde Richter’s zusammengeführt. Allein wegen dieser Besonderheit lohnt sich der Weg zur „Königsklasse III“.

Weiterhin sind noch Hauptwerke von Andy Warhol, Dan Flavin, Arnulf Rainer, Imi Knoebel, Georg Baselitz, Fabienne Verdier, Wolfgang Laib, John Chamberlain und Willem de Kooning zu sehen. Darüber will ich aber jetzt nicht noch mehr Wort verlieren, sondern lasse die fotografisch festgehaltenen Eindrücke folgen.

Abschließend möchte ich die Pinakothek der Moderne bzw. alle „Player“ im Museumsareal und die Bayerische Schlösserverwaltung dazu auffordern und ermutigen diese Kooperation fortzusetzen und die Ausstellungsräume auf Herrenchiemsee zu etablieren.

2 Kommentare

  1. Hallo Barbra,
    vielen Dank für das Teilen Deiner Eindrücke. Das klingt nicht nur nach einem interessanten Projekt, sondern sieht auch so aus. Und dazu das Traumwetter, das Du hattest. Sehr, sehr schön.
    Liebe Grüße
    Norman

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